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Im Design-Prozess stolpern wir ständig durch verschiedene Bubbles.
Die Bubbles unserer Kunden,
– was macht die Konkurrenz; es reicht, wenn wir die Website verstehen, weil wir sowieso die besten Profis für unser Produkt sind; meine Nichte sagt, sie findet es hässlich –
die Bubbles der Design-Community,
– diese Farbe ist total neu; wer benutzt schon noch einen InternetExplorer; die Kolleg:innen sagen, sie finden es ultracool –
die Bubbles der Social Media.
– die sollen lieber mal ihr Produkt billiger machen; ich warte jetzt schon drei Tage auf die Zustellung; mein Bruder sagt, die sind blöd.
Eigentlich ist der Bubble-Clash ein sehr spannendes Thema: Was kann man dagegen unternehmen (Spoiler: früh veröffentlichen und mit echten Kunden testen), mit welchen Techniken kann man sich selbst aus der Bubble bewegen, wie kommt man zu schnellen Entscheidungen und Prototypen und wie hinterfragt man seine Entscheidungsfindung.
Nur kann ich mir nicht helfen, als die ganze Zeit zu denken: Fuck the bubble. Natürlich stehen wir alle in einer oder in mehreren, aber die Überschneidungen sind doch viel größer als die Trennungen. Nur weil jedes Team natürlich Fachleute für bestimmte Bereiche hat, bedeutet das ja nicht, dass die Nicht-Fachleute überhaupt keine Ahnung hätten. Am Ende unseres Jobs steht immer ein Mittel der Kommunikation und das muss eine universell verständliche Sprache sprechen. Wenigstens darin, in Universalität, sollte jeder eine Expertin oder ein Experte sein.
Die Frage ist ja, inwiefern die Bubble etwas Neues ist, ein Kind der digitalen Kommunikation, oder ob die Idee der Bubble nicht ein Konstrukt ist, das den neuen Möglichkeiten der Kommunikationswahrnehmung entspringt. Kurz gesagt: Lebten wir vor der Digitalisierung weniger in einer Bubble, weniger in einer Gruppe von Peers und waren wir zugänglicher für Einflüsse von außen als heute?
Vielleicht ist unsere Bubble also gar nicht neu in ihrer Existenz sondern nur in unserer Wahrnehmung. Und das wäre ja vor allem ein Erkenntnisgewinn. Eine Erkenntnis, die uns vor zwei Optionen stellt: Erstens, uns in unsere Bubble zurückzuziehen, Nieschenfachleute zu werden und in der Abgrenzung zu den anderen Blasen unser Arbeitsfeld zu definieren. Oder zweitens, anzuerkennen, dass wir zwar alle in unserer Bubble leben, wir aber viel mehr Gemeinsamkeiten haben als Unterschiede.
Auf dieser zweiten Annahme basiert zum Beispiel auch das taiwanesische Demokratieprojekt vTaiwan. Diese, als soziales Netzwerk geplante, Diskussions- und Entscheidungsplattform fokussiert sich auf die Gemeinsamkeiten einer Problemlösung und auf produktive Ideenfindung. Als Ergebnis konnten umsetzbare Kompromisse viel schneller verabschiedet werden.
Die Idee ist also, nicht zuerst an Silos oder Bubbles zu denken, sondern einen tragbaren Konsens zu finden, den umzusetzen und den Erfolg im Anschluss zu überprüfen.
Im Design geht es darum, allen Beteiligten Raum für Ideen zu geben und Kompromisse zuzulassen. Ein erster Schritt dahin wäre, nicht in abgeschlossenen Kompetenzblasen zu denken. Solange wir glauben, dass jede und jeder in einer Bubble lebt, verweigern wir uns gegenseitiges Verständnis. Und darum sage ich: „Fuck the bubble.“
– mm
Interessanter Link:
Audrey Tang über den Entwurf eines neuen Demokratieverständnis in Taiwan.