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Der Zauber des ungefähren Augenblicks

27. März 2024

Heute ein gutes Foto zu machen ist bestimmt einfacher als zu Zeiten des analogen Films. Die direkte Erfolgskontrolle zwingt uns in die Korrektur schon bei der Aufnahme. Alles im Fluchtwinkel? Perfekter goldener Schnitt? Die Rasteranzeiger der Kamera hilft – und die Kamerasoftware sowieso bei allem Möglichen. Und wurde endlich auf den Auslöser gedrückt, folgt die fast zwanghafte Nachbearbeitung und Optimierung. Stimmt die Belichtung wirklich? Sind tatsächlich alle Grautöne abge- deckt? Ist das Motiv scharf genug oder muss Hand angelegt werden? Das ist oft gut, aber nicht immer erfrischend.

Perfektion ist nicht der einzige Parameter für eine nachhaltig wirkende Aufnahme. Zum einen geht es um die Komposition in einem Bild. Was erzählt sie mir über das Motiv? Und dann gibt’s noch die andere Ebene. Die sagt etwas über den Fotografen und den Moment der Aufnahme. Wurde das Bild hektisch in aller Eile aufgenommen oder ist es eine minutiös geplante Aufnahme? Wie ist das Verhältnis zwischen Fotograf und Objekt? All das schwingt bei einem Bild mit und macht letztlich die Wirkung eines Fotos aus.

Ich versuche gerne der restriktiven Tücke des digitalen Bildes zu entkommen. Dafür ist es wichtig, z. B. die KI in den Geräten auszuschalten. Denn die hat keine Ahnung vom Verhältnis zwischen dem Fotografen und dem Bild, vom besonderen Moment. Sie klinkt sich einfach ein und zieht den Vorhang vor einzigartige Momente. Sie ist die Dunkelkammer, die momenta- ne Besonderheiten, das Feinstoffliche, welches mitschwingt, nicht ans Licht lässt. Sie kehrt die Eigenheiten des Momentes unter den Teppich. Allenfalls können technisch perfekte Bilder dabei herauskommen. Aber etwas fehlt.

Wer fotografiert, sollte sich das Zögern im Moment bewahren, und auch den Überraschungen des Zufalls Raum geben, um das Charisma des Unausgesprochenen zu stimulieren. Perfektion und übertriebene Schärfe in Bildern sind für mich beispielsweise oft ein Grund dafür, das Bild im Nachhinein wieder zu „zerstören“. Der Korneffekt hilft manchmal dabei, aber auch lange Belichtungszeiten oder Bewegungsunschärfe verleihen Fotos die unausgesprochene Tiefe. So entstehen Geschichten zwischen den Zeilen und etwas Ungefähres, das Raum für Assoziationen schafft.

Gerade das Unausgesprochene und die nicht formulierbare Spannung in einem Bild sind erstrebenswerte Ziele, um Bildern eine Seele einzuhauchen, um einen Zauber entstehen zu lassen.

Also fluchen wir nicht auf die künstliche Intelligenz, sondern erkennen wir die Chance, sich von ihr abzugrenzen, damit die Fotografie ihren Wert behält. Ach, ein kurzer Fluch darf ruhig sein: Fuck KI oder AI oder wie du heißt!

Nebenbei: Warum sind wir eigentlich ungefragt per du? Du nimmst dir ganz schön viel raus …

– ph

 

Erschienen in Ausgabe #16 unseres Magazins „Postr“, das kostenlos bestellt werden kann.

 

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